Am heutigen 1. Juni beginnen die 3-tägigen abschließenden Beratungen und Abstimmungen in der Hamburgischen Bürgerschaft über den Doppelhaushalt 2021/2022. Erneut werden wichtige Haushaltsmittel zur Aufrechterhaltung des derzeitigen Betriebs niedrigschwelliger Suchthilfeeinrichtungen damit nur unzureichend und auf befristete Zeit beschlossen. Zur Übernahme von Tarifsteigerungen in der Drogen- und Suchthilfe fehlt ein klares öffentliches Bekenntnis der Koalitionsfraktionen. Für wichtige Prozesse in Digitalisierungsfragen ist offensichtlich gar kein Geld eingeplant. Die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) hätte sich statt unverbindlicher Perspektiven von den Koalitionsfraktionen eine langfristige Absicherung dringend notwendiger sozialer Leistungen gewünscht.

Mit dem Doppelhaushalt 2021/2022 wird von der Hamburgischen Bürgerschaft ein Finanzplan beschlossen, der eindeutig darunter leidet, dass die Mittel vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie knapp sind. Die HLS erkennt das an, mahnt aber gleichwohl, dass gerade an der Absicherung sozialer Hilfs- und Beratungsangebote in dieser für viele Menschen schwierigen Situation nicht gespart werden darf!

Leider deutet sich aber genau das mit dem Doppelhaushalt an: mit den Anträgen 22/4403 und 22/4443 beschließen die Koalitionsfraktionen, dass Mittel zur Aufrechterhaltung des Betriebs für die niedrigschwelligen Drogenhilfeeinrichtungen Abrigado und Stay Alive erneut nur auf zwei Jahre befristet bereitgestellt werden oder schon vollzogene Stellenstreichungen wieder zurückgenommen werden können. Eine langfristige Absicherung ist das nicht. Auch ist schon jetzt absehbar, dass die Mittel selbst zur Absicherung in diesem und dem nächsten Jahr zu knapp bemessen sind.

Seit Jahren bemüht sich die Drogen- und Suchthilfe in Hamburg darum, dass Tarifsteigerungen bei Beibehaltung des bisherigen Personalumfangs in den Einrichtungen übernommen werden können. Dieses Ziel ist auch im rot-grünen Koalitionsvertrag festgehalten und von der Senatorin Melanie Leonhard wurde im Gesundheitsausschuss am 26.01.2021 zugesichert, dass die dafür notwendigen Finanzmittel im Haushaltsentwurf eingeplant werden. Herauslesen lässt sich das aus dem Haushaltsentwurf so klar aber nicht und eine schriftliche Fixierung dieses Ziels fehlt leider auch in den Anträgen der Koalitionsfraktionen.

Bislang gar nicht von den Koalitionsfraktionen im Haushalt berücksichtigt sind dringend notwendige Mittel zur Umsetzung von Digitalisierungsprozessen in den Suchthilfeeinrichtungen. Gerade im letzten Jahr während der Corona-Pandemie mussten insbesondere Beratungsstellen schnell auf digitale Beratungs-, Kontakt- und Vernetzungsangebote umstellen. Dafür eigentlich notwendige datenschutzkonforme Programme, Serverkapazitäten, mehr Internet-Bandbreite sowie Fortbildungen zu Online-Beratung kosten Geld, das derzeit noch nirgendwo im Haushalt auftaucht. Dabei wäre es gerade auch vor dem Hintergrund des Online-Zugangsgesetzes dringend nötig, hier langfristig Mittel einzuplanen, um die von den Suchthilfeträgern mit eigenen Mitteln etablierten digitalen Beratungs-, Betreuungs- und Behandlungsangebote zu verstetigen und weiterzuentwickeln.

Der Antrag der Linken mit Drucksache 22/4575 greift diesen Punkt erfreulicherweise mit einem Vorschlag von 80.000 Euro auf, wird aber in den Haushaltsberatungen vermutlich nicht angenommen werden.

Dazu Prof. Dr. Andreas Koch, HLS-Vorsitzender: „Mit dem letzten Doppelhaushalt 2019/2020 wurde die jahrelange Austrocknung der Drogen- und Suchthilfe endlich überwunden, es gab einen kleinen finanziellen Zuwachs im Haushalt, aus dem reguläre Tarifsteigerungen zumindest teilweise refinanziert werden konnten. Außerdem wurden dringend notwendige niedrigschwellige Angebote der Träger Jugendhilfe e.V. und freiraum e.V. für zwei Jahre abgesichert.

Für diese Punkte haben wir uns als Landesstelle seit vielen Jahren eingesetzt und hatten uns mit dem jetzigen Doppelhaushalt 2021/2022 eine dauerhafte Verstetigung erhofft. Leider gibt es stattdessen nur unverbindliche Perspektiven, die gerade den niedrigschwelligen Einrichtungen Abrigado und Stay Alive erneut keine langfristige Planungssicherheit geben. Bei der Übernahme von Tarifsteigerungen vertrauen wir auf die Aussagen der Senatorin Leonhard im Ausschuss sowie auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, dass diese entsprechend der realen Bedarfe ausgeglichen werden. Das ist dringend notwendig, um das qualifizierte Personal halten und so die Arbeit der Suchthilfe in Hamburg zumindest im bisherigen Umfang fortführen zu können.

Nicht berücksichtigt ist dabei leider, dass sich spätestens mit der Pandemie neue Bedarfe ergeben haben – sowohl in Bezug auf neue Klient*innen, für die Behandlungsbedarfe entstanden sind, als auch in Bezug auf Digitalisierungsprozesse. Wir arbeiten als HLS mit Hochdruck daran, hier auch vor dem Hintergrund des Online-Zugangsgesetzes den rasanten Veränderungen gerecht zu werden. Die Politik hat leider in diesem Doppelhaushalt die Möglichkeit verspielt, das zu berücksichtigen und vorausschauend mit der Bereitstellung von Finanzmitteln z.B. für Onlineberatung voranzugehen. Andere Länder wie Baden-Württemberg sind da weiter.Alles in allem fährt der vorgelegte Haushalt der rot-grünen Regierung in Hamburg im Bereich der Drogen- und Suchthilfe leider nur knapp auf Sicht, statt mit Weitblick die dringend notwendige Verlässlichkeit und Planungssicherheit für die nächsten Jahre zu geben. Wir hätten uns als HLS hier deutlich mehr gewünscht und werden weiter mit der Politik im Gespräch bleiben müssen, um den gesellschaftlichen Nutzen und die Notwendigkeit unserer Arbeit immer wieder aufs Neue zu verdeutlichen.