Mehr Alkoholkonsum im privaten Setting, Zunahme von Medienabhängigkeit, verstärkte Online-Glücksspiel-Teilnahme. Gleichzeitig komplizierte ambulante Versorgung und verstärkte Nachfrage nach Hilfe, die vielfach nur per Video oder Telefon stattfinden kann – die Corona-Krise stellt Suchtkranke, Suchtgefährdete und auch die Suchtkrankenhilfe vor schwierige Herausforderungen.

Vor dem Hintergrund der beginnenden Koalitionsverhandlungen in Hamburg fordert die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) die Verhandlungspartner auf, in diesem Bereich jetzt und auch nach der Krise auf keinen Fall sparen zu wollen!

Etwa ein Drittel mehr alkoholische Getränke werden in deutschen Supermärkten seit Beginn der Corona-Pandemie verkauft, wie das Nürnberger Marktforschungsinstitut GfK vergangene Woche veröffentlichte. Dem stehen natürlich gleichzeitig Einbußen in Restaurants und Bars entgegen, doch trotzdem sieht die HLS hier sowie in anderen Bereichen der Arbeit mit Suchtkranken große Probleme und warnt vor den Langzeitfolgen des Lockdowns. Ob Alkoholmissbrauch, massiver Internet- und Medienkonsum, Teilnahme an illegalen Online-Glücksspielangeboten oder auch häusliche Gewalt – all das darf nicht im Dunkeln bleiben, sondern gehört in den Blick genommen.

Dazu Dieter Adamski, HLS-Vorsitzender: „Wir als Suchtkrankenhilfe halten unsere Arbeit weiterhin aufrecht, denn Sucht ist eine lebensbedrohliche Erkrankung und es muss gerade in Krisenzeiten Hilfeangebote geben! Ambulante Beratung und Betreuung kann in diesen Zeiten fast nur noch per Video oder Telefon stattfinden. Die Mitarbeiter*innen zeigen hier größten Einsatz, obwohl es vielfach an gutem und sicherem Equipment fehlt.

Gleichzeitig ist gerade aber in der Sucht eigentlich der persönliche Kontakt unerlässlich, um erhöhten Konsum und Rückfälle zu vermeiden – sei es in der Beratung, Nachsorge, Reha oder auch in Selbsthilfegruppen.

Wir beobachten, dass Menschen jetzt vielfach verzweifelt in Entzugskliniken oder stationären Einrichtungen darum bitten, schnell aufgenommen zu werden, um ihrem Konsum in der Einsamkeit zu entgehen. Gleichzeitig wurden Stationen des Qualifizierten Entzugs aber teilweise zurückgefahren, um Krankenhauskapazitäten zu schaffen. Und in allen Einrichtungen – ob Betreuung oder Rehabilitation – ist Schutzausrüstung ständige Mangelware. Wir möchten gern sichergestellt wissen, dass Suchthilfeeinrichtungen zentral über die Verwaltung Schutzkleidung und Schutzmasken erhalten und regelmäßig Tests für Beschäftigte durchführen können.

Vor allem aber appellieren wir an die Politik, den Bereich der Suchtkrankenhilfe in den Koalitionsverhandlungen gerade vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Probleme besonders aufmerksam im Auge zu haben. Auch in Zeiten knapper werdender Kassen darf hier nach der Krise auf keinen Fall gespart werden!

In verschiedenen Bereichen haben Land und Bund erfreulicherweise bereits schnell auf die Krise reagiert und auch für den Suchthilfebereich neue Wege zugelassen. So wurde im Drob Inn eine neue niedrigschwellige Substitutionsambulanz eingerichtet, in der in Verdachtsfällen auch auf Covid-19 getestet werden kann. Das Angebot der Drob Inn–Substitutionsambulanz richtet sich explizit auch an nicht krankenversicherte Opioidabhängige. Das schützt nicht nur die Konsument*innen, die vielfach zur Risikogruppe gehören, sondern auch die Allgemeinbevölkerung, da das Ansteckungsrisiko hier minimiert wird. Zudem gibt es einen erhöhten Bedarf an Substitutionsbehandlungen, da viele bisher nicht substituierte Opioidabhängige sich mit steigenden Schwarzmarktpreisen und gleichzeitig versiegenden Einkommensquellen konfrontiert sehen. Eine neue Arzneimittelversorgungsverordnung, die am vergangenen Dienstag in Kraft getreten ist, ermöglicht zudem die vereinfachte Verschreibung von Substitutionspräparaten auch durch niedergelassene Ärzte. In bestimmten Fällen können Präparate nun für bis zu 30 Tage verschrieben werden.

„Die bereits getroffenen Maßnahmen sind richtig und wichtig. Aber es muss weitergehen – während und nach der Krise. Denn der Lockdown schafft und verschärft Probleme bei suchtgefährdeten wie bereits suchtkranken Menschen. Für suchtkranke Obdachlose beispielsweise fehlt es an ausreichenden Unterbringungsmöglichkeiten. Allen Menschen mit Suchtproblem in Hamburg muss jetzt und in Zukunft effektiv geholfen werden“, erklärt Dieter Adamski abschließend.