Zu den Arbeitsweisen, Veränderungen und Herausforderungen während der Pandemie hat die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) im März und April diesen Jahres eine Umfrage unter ihren Mitglieds-Einrichtungen durchgeführt. Die Auswertung ist seit heute veröffentlicht auf dem Fachportal Konturen online.
Die Ergebnisse zeigen in differenzierter Weise, wie sich Beratungsstellen, niedrigschwellige Einrichtungen, Einrichtungen der stationären und ambulanten Sucht-Reha, der Qualifizierte stationäre Entzug und auch die Suchtselbsthilfe während der Pandemie beholfen haben, um ihre Angebote trotz Kontaktbeschränkungen bestmöglich aufrecht zu erhalten. Fazit der HLS: In der gesamten Hamburger Suchtkrankenhilfe wurde unter schwierigen Bedingungen Besonderes geleistet. Beschleunigte Digitalisierungsprozesse haben einiges ermöglicht, können aber zukünftig höchstens Ergänzungen im System sein und persönliche Kontakte und Hilfen nicht ersetzen.
Hier verlinkt auf der Seite des Fachportals Konturen steht seit dem heutigen 22. Juni 2021 eine ausführliche Darstellung online, die die Rückmeldungen unterschiedlichster Akteure aus der Hamburger Suchtkrankenhilfe zu ihrer Arbeit während der Corona-Krise beschreibt.
Die HLS hatte dazu eine Umfrage unter ihren Mitgliedern gemacht und insgesamt 23 Fragebögen bis Anfang April ausgefüllt zurückerhalten. Der Fragebogen ist in dem Text von Konturen-online zur Ansicht auch verlinkt.
Die Angaben und Ergebnisse sind dabei differenziert und vielseitig: insbesondere in den Beratungsstellen haben sich Klient*innen-Anfragen durchaus merklich verändert: es wurden teilweise neue Zielgruppen durch digitale Beratungsangebote erreicht, andere jedoch gingen auch ‚verloren‘. In Teilen berichten die Beratungsstellen und auch Einrichtungen der Rehabilitation sowie Suchtselbsthilfeverbände, dass die besondere Ausnahmesituation während der Pandemie zu vermehrten Rückfällen bei Suchtkranken geführt habe. Vereinzelt war die Pandemie jedoch auch ein hilfreicher Anlass, die eigene Lebenssituation grundlegend zu ändern und hat Menschen in ihrem Willen zum Ausstieg aus der Sucht bestärkt.
Sieht man sich an, inwiefern digitale Anwendungen in den Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe genutzt und angenommen wurden, so konnten diese insbesondere bei der Beratung und in der Suchtselbsthilfe genutzt werden. Vielfach ging das aber zunächst mit fehlenden technischen Voraussetzungen sowie dann auch mit starken Bedenken in Sachen Datenschutz, Bedienungs-Schwierigkeiten oder auch mit technischen Problemen einher. Zudem mussten Mitarbeiter*innen häufig private Geräte nutzen und fühlten sich unwohl damit, Einblick in ihr privates Umfeld zu geben.
Gerade in niedrigschwelligen Einrichtungen, in der Eingliederungshilfe oder im Qualifizierten Entzug wurde aus den Antworten deutlich, dass die dort geleisteten Hilfestellungen durch digitale Angebote nicht ersetzbar sind. Auch in der Sucht-Reha funktionierte dies offenbar nur sehr eingeschränkt.
Insgesamt erklärt Prof. Dr. Andreas Koch, Vorsitzender der HLS: „Die differenzierte Auswertung unserer Umfrage zeigt, wie gut die verschiedenen Einrichtungen und Verbände in der Hamburger Suchtkrankenhilfe in Zeiten der Pandemie ihre Ressourcen gebündelt haben, um suchtkranken Menschen trotz Kontaktbeschränkungen weiterhin bestmöglich zu helfen! Viele Überstunden und kreative Lösungen sowie Organisationstalent waren und sind immer wieder nötig dafür.
Wir sind froh, dass sich der Betrieb vielerorts langsam normalisiert und z.B. wieder Gruppensitzungen in den Einrichtungen der Sucht-Rehabilitation in großen gut belüfteten Räumen stattfinden können. Auch der Qualifizierte Entzug wird seinem Namen allmählich wieder gerecht und die Kliniken müssen sich nicht mehr auf die rein körperlich-medikamentöse Behandlung beschränken.
Besonders interessiert hat uns als HLS bei unserer Erhebung, inwiefern die Pandemie Digitalisierungsprozesse in der Suchthilfe beschleunigt hat und welche Probleme damit einher gingen. Die Ergebnisse zeigen: gerade in der Beratung und in der Suchtselbsthilfe haben Videokonferenzsysteme neue Möglichkeiten eröffnet und teilweise konnten auch neue Zielgruppen erreicht werden. Aber es wurden dadurch auch erkennbar Menschen abgehängt und sind dem System ‚verloren gegangen‘ oder haben durch Mangel an persönlichen Begegnungen Rückfälle erlitten. Außerdem gibt es in Sachen Datenschutz, technische Stabilität und Schutz der Privatsphäre noch viel Verbesserungspotential bei digitalen Anwendungen. Wir nehmen uns als HLS dieses Themas an und wollen mit unseren Mitgliedern gemeinsam hier in den nächsten Jahren gute Lösungen erarbeiten. Dafür braucht es auch Ressourcen und Unterstützung der öffentlichen Hand! Aber dabei ist und bleibt für uns klar: Digitale Lösungen können im Suchthilfesystem immer nur Bestehendes ergänzen und persönliche Begegnungen nicht ersetzen! Die von uns veröffentlichte Analyse darf daher nicht als Anlass oder Begründung verstanden werden, um mögliche finanzielle Kürzungen in der Suchtkrankenhilfe zu rechtfertigen. Denn dass solche möglich wären, ist an keiner Stelle ablesbar!“