Neben einem offenen Brief vom 24. Juni hat die HLS heute eine Stellungnahme der AG Drogen zur Pressemitteilung vom 13. Juni erreicht, die wir an dieser Stelle veröffentlichen möchten:

„Sehr geehrte Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen,
hiermit möchten wir uns bezüglich der am 13.06.2016 auf Ihrer Internetseite veröffentlichten Pressemitteilung äußern.

Wir, die Drogen AG St. Pauli, sind verwundert über die Position, die Sie als HLS gemeinsam mit Frau Tügel einnehmen. Seit rund zwei Jahren engagieren wir uns im Stadtteil St. Pauli zum Thema Drogen im Bezirk. Unsere AG setzt sich zusammen aus: AnwohnerInnen, Elternvertretern der Ganztagsschule St. Pauli, Fachleuten aus der Hamburger Drogenhilfe, St. Pauli Selbermachen, dem Bürgerverein St. Pauli und interessierten BürgerInnen.

Aus gegebenem Anlass (der verstärkten Polizeipräsenz und den damit verbundenen Problemen im Stadtteil, sowie den Auswirkungen des Drogenkonsums und -verkaufs im Stadtteil), gab es am 07.06.16 eine kleine Stadtteilversammlung unter dem Motto: „Drogen auf St. Pauli und die Auswirkungen auf die AnwohnerInnen – informeller Meinungsaustausch“. Es gab ein großes Interesse und konstruktive Diskussionen, in denen deutlich wurde, dass es auf St. Pauli einen großen Bedarf an Entlastung der AnwohnerInnen durch mehr Angebote für KonsumentInnen gibt, wie unter anderem auch einen Konsumraum IM Quartier. Dass Sie das Engagement so vieler BürgerInnen mit „einige“ verniedlichen und den gemeinsamen Wunsch nach einem ortsnahen Konsumraum in ihrer Stellungnahme so darstellen, als wäre es die Meinung eines einzelnen Vertreters der Drogen AG, empört uns.

Zitat Pressemitteilung HLS: „Er (Jonny Schanz) fordert damit einen Raum, in dem Abhängige ihren Stoff betreutkonsumieren können…“

Zu Beginn unserer Arbeit gab es ein Gespräch zwischen uns und Frau Tügel, Herrn Schreiber (SPD), Vertretern des Bürgervereins St. Pauli und St. Pauli Selbermachen, um gemeinsam die veränderte Situation auf St. Pauli zu analysieren und Ideen zu entwickeln, um den Bedürfnissen der AnwohnerInnen und KonsumentInnen zu begegnen. In dem Gespräch stellte sich heraus, dass Frau Tügel keinen Bedarf sieht, sich gemeinsam für eine bessere Versorgungssituation auf St. Pauli stark zu machen. Das Anliegen, gemeinsame Lösungen zu entwickeln, wurde klar abgelehnt.
Dass das Drob Inn (Hbf.) und Stay Alive (Altona) für St. Pauli ausreichende Angebote seien, steht unserer Wahrnehmung und der der AnwohnerInnen entgegen. Auf einer der ersten Stadtteilversammlungen der Drogen AG haben AnwohnerInnen der Talstrasse die Zunahme von Konsumvorgängen in den Treppenhäusern und vor der Tür seit dem Umzug des Stay Alives beschrieben und mit eigenen Statistiken dokumentiert.

Die AnwohnerInnen des Hauses kamen in einem Zeitraum von 6 Monaten auf 992 beobachtete Konsumvorgänge im Treppenhaus oder direkt vor der Haustür, wo Gruppen von 3-9 Menschen gemeinsam konsumierten (Crack rauchen und intravenöser Konsum). Auf dieser Versammlung waren unter anderem auch der Projektleiter und andere MitarbeiterInnen des Stay Alive zugegen, die jedoch kein Gespräch mit den betroffenen AnwohnerInnen suchten und vor allem auf deren
Anfragen nach Hilfe nicht reagierten.
Dass das Stay Alive in Altona, laut ihrer Pressemitteilung, gut bzw. besser besucht ist als zuletzt auf St. Pauli, mag positiv sein, ändert aber nichts an den Erlebnissen der AnwohnerInnen auf St. Pauli, die den Mehrbedarf klar formulieren. Erweiterungen der Öffnungszeiten wären bestimmt eher hilfreich als die, seit dem Umzug des Stay Alive, laufende StraSo. Diese hat keine spürbaren Veränderungen im Stadtteil gebracht und ersetzt auch nicht ein quartiersnahes und speziell auf St. Pauli angepasstes Angebot, mit entsprechenden Öffnungszeiten, medizinischer Versorgung und nicht ausstiegsorientiertem Konzept, welches auch die erreicht, die sonst dem bestehenden
Hilfesystem eher fernbleiben.

Frau Tügels Argument, dass einzig die „Dealer Situation“ auf St. Pauli zu einem vermehrten Drogenkonsum führt, halten wir, gelinde gesagt, für stark vereinfacht, stigmatisierend und wenig hilfreich. Das Bedürfnis der AnwohnerInnen auf der Stadteilversammlung und der Drogen AG St. Pauli ist nicht der Wunsch nach mehr Polizeikontrolle, Vertreibung und Diskriminierung, sondern eine solidarische Lösung, die den KonsumentInnen, AnwohnerInnen sowie Wochenendbesuchern gerecht werden kann. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für jeden Menschen zu fördern, ist die klare Haltung Ihres Dachverbandes, der DHS. Daher fordern wir eine offene Haltung von Ihnen, die es ermöglicht einen Diskurs zu gestalten, der dieses Ziel – die Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben für jeden Menschen – als Oberstes ansieht.“